Goethe in Dresden

Gerhard von Kügelgen: Johann Wolfgang von Goethe, Öl auf Leinwand, 1808-1809

Goethe besuchte mehrfach Dresden. Das erste Mal kam er im März 1768 als Student aus Leipzig nach Dresden, um bei einem zweiwöchigen Aufenthalt die Stadt mit ihren Sammlungen kennenzulernen. 1790, bei einem zweiten Aufenthalt, verkehrte er hauptsächlich mit der Familie Körner, wo man über Kant philosophierte.  Körner schrieb an  Schiller am 13. August, er habe "wieder" eine halbe Stunde lang ein interessantes Gespräch über Kunst mit Goethe gehabt und Goethe sei "aufgethaut" und zuletzt sehr mittheilend gewesen, doch habe seine Art sich anzukündigen immer etwas Kaltes und Zurückscheuchendes. Goethe schrieb hingegen an Körner: "Dresden hat mir mehr gegeben als ich hoffen konnte, Sie [Körner] mir in Dresden mehr als ich wünschen durfte, der Gedanke an die schöne und interessante Stadt und an das liebe Ehepaar ist und bleibt unzertrennlich." (Brief vom 21. Oktober 1790)

1794 und 1810 kam Goethe erneut nach Dresden, um die Gemäldegalerie zu sehen. Er besuchte auch gemeinsam mit Johanna Schopenhauer und dem Jenaer Verleger Frommann das Atelier von Caspar David Friedrich. Goethe schrieb am 18. September in seinem Tagebuch: „Zu Friedrich. Dessen wunderbare Landschaften, Ein Nebelkierchhof, ein offnes Meer". Goethe, der sich anfänglich wohlwollend über Friedrich äußerte, sah hier die „Abtei im Eichwald" und „Der Mönch am Meer". Zwei Jahre später  lobte Goethe in einem Brief vom 25. April 1812 an Meyer die Seltenheit des „Vollendeten", erkannte aber die „wunderlichste Art" der Gemälde Friedrichs. In dem 1813 verfassten Aufsatz „Ruisdael als Dichter"  setzte er sich in einer antiromantischen Schrift mit dem Maler auseinander und distanzierte sich von der Programmatik der Romantiker.

1808 schrieb er an die Malerin Caroline Bardua, die später bei Kügelgen studierte und ebenfalls im Kügelgenhaus lebte: "Wir wünschen alle unserer Freundin Glück zu dem Entschluss sich nach Dresden zu begeben. Sie wird an den großen Mustern, die sie daselbst findet, sich auf eine ausgezeichnete Weise ausbilden und auch den künftigen Winter desto lieber in Weimar zubringen, weil ihr manches ernste Erforderniß der Kunst wird deutlicher geworden seyn." (Goethe an Bardua, 13. April 1808).

1813 hingegen nötigten ihn die Kriegswirren der napoleonischen Kriege in die Stadt zu reisen. Hier besuchte er den Maler Gerhard von Kügelgen am 24. April 1813 im heutigen Kügelgenhaus und blickte hinunter auf die Hauptstraße, um den Einzug des russischen Zaren mit dem preußischen Königs zu verfolgen. Dabei wurde Goethe durch Sara Grotthus gestört. Wilhelm von Kügelgen schildert dieses Begegnung in den "Lebenserinnerungen eines alten Mannes":

Die Malerin Caroline Bardua war mit Goethe befreundet und lebte zeitweise bei der Familie von Kügelgen.


"Goethe war nämlich am Morgen des Einzugs der Monarchen ganz zutraulich bei uns eingetreten, und da er den Vater, der ihn anderwärts suchte, nicht zu Hause fand, hatte er die Mutter um Erlaubnis gebeten, bei ihr bleiben zu dürfen, um aus ihren Fenstern und vom Straßengedränge unbelästigt den erwarteten Einzug mit anzusehen. Er wer de in keiner Weise stören, hatte er hinzugesetzt, wolle sich ganz still verhalten und bitte, keinerlei Notiz von ihm zu nehmen. Die Mutter glaubte zu verstehen, daß er selbst unbelästigt sein wolle. Sie überließ ihm daher ein Fenster, setzte sich mit ihrer Arbeit in ein anderes und drängte sich ihm mit keiner Unterhaltung auf. Da stand er denn, der prachtvoll hohe Mann in seinem langen Überrock und blickte, die Hände auf dem Rücken, behaglich auf das bunte Gewühl des drängenden Volkes nieder. Er sah sehr heiter aus, und meine Mutter glaubte es ihm abzufühlen, wie dankbar er ihr für die Schonung sei, mit der sie ihn gewähren ließ, denn sie wußte, wie sehr der seltene Gast bis dahin von der bewundernden Zudringlichkeit schöngeisterischer Damen belästigt und gequält ge wesen. Er pflegte sonst immer von großer Cortège [Prozession] umgeben zu sein, und da er so allein gekommen, nahm meine Mutter an, daß es ihm gelungen, sich vielleicht, vom Gedränge begünstigt, aus seiner anbetenden Umgebung wegzusteh len und hierher zu retten, um die feierlichen Eindrücke eines geschichtlichen Ereig nisses ungestörter in sich aufzunehmen. Sie rief daher auch mich hinweg, der ich dem großen Manne immer näher rückte und ihn anstarrte, wie einer, der zum ersten Male in seinem Leben einen Walfisch oder Elefanten sieht. Er aber zog mich an sich, legte die Hand auf meine Schulter und fragte mich dies und jenes, unter anderem auch, ob ich mich darauf freue, den Kaiser von Rußland zu sehen. Ich sagte: Ja, ich freute mich darauf, weil er mein Pate wäre, und allerdings hatte ich bis jetzt in dieser glücklichen Illusion gelebt, bloß weil ich eben auch Alexander hieß. Meine Mutter gab indes sogleich die nötige Aufklärung, und Goethe fragte nun manches über Rußland. So war sie dennoch mit ihm ins Gespräch gekommen. Indem ward heftig an der Klingel gerissen. Ich sprang fort, um die Tür zu öffnen, und herein drang eine unbekannte Dame76, groß und stattlich wie ein Kachelofen und nicht weniger erhitzt. Mit Hast rief sie mich an: „Ist Goethe hier?“ Goethe! Das war kurz und gut. Die Fremde gab ihm gegen mich, den fremden Knaben, weiter kein Epitheton, und kaum hatte ich die Zeit, mein einfaches Ja herauszubringen, als sie auch schon, mich fast übersegelnd, unangemeldet und ohne üblichen Salutschuß, wie ein majestätischer Dreidecker in dem Zimmer meiner Mutter einlief. Mit offenen Armen auf ihren Götzen zuschreitend, rief sie: „Goethe! Ach Goethe, wie habe ich Sie gesucht! Und war denn das recht, mich so in Angst zu setzen?“, sie über schüttete ihn nun mit Freudenbezeugungen und Vorwürfen. Unterdessen hatte sich der Dichter langsam umgewendet. Alles Wohlwollen war aus seinem Gesichte verschwunden, und er sah düster und versteinert aus, wie eine Rolandssäule. Auf meine Mutter zeigend, sagte er in sehr prägnanter Weise: „Da ist auch Frau von Kügelgen.“ Die Dame machte eine leichte Verbeugung, wandte dann aber ihrem Freunde, des sen üble Laune sie nicht bemerkte, ihre Breitseiten wieder zu und gab ihm eine volle Ladung nach der anderen von Freudenbezeugungen, daß sie ihn glücklich geentert, beteuernd, sie werde sich diesen Morgen nicht wieder von ihm lösen. Jener war in sichtliches Mißbehagen versetzt. Es mochte ihm etwa zumute sein wie einmal meiner Wenigkeit in der Mädchenpension, und ohne Zweifel würde auch er, wenn er die Wahl gehabt, ein heimliches Produkt Ruten der aufdringlichen Zärt lichkeit seiner ekstatischen Freundin bei weitem vorgezogen haben. Er knöpfte sei nen Oberrock bis ans Kinn zu, und da mein Vater eintrat und die Aufmerksamkeit der Dame, die ihn kannte, für einen Augenblick in Anspruch nahm – war Goethe plötzlich fort. Entsetzt eilte die Getäuschte ihm nach, sich jeden Abschied sparend. Ob sie ihn noch erreichte, weiß ich nicht, da in demselben Moment die Ankunft der Monarchen das ganze Interesse von uns Rückbleibenden fesselte."

Im August 1813 weilte er nochmals in der Elbstadt.


Goethes Aufenthalte in Dresden:

1

März 1768

zweiwöchiger Aufenthalt

2

28. Juli 1790 bis 1. August 1790

Zu Gast im Hotel de Pologne

3

25. September 1790 bis 3. Oktober 1790

u. a. Besuch bei Familie Körner

4

2. August 1794 bis 11. August 1794

u. a. Besuch der Gemäldegalerie mit Johann Heinrich Meyer

5

18. bis 21. September 1810

u. a. Besuch der Brühlschen Terrasse und Besuch des Ateliers von Caspar David Friedrich

6

20. bis 25. April 1813

Besuch u. a. bei den Kügelgens

7

10. bis 13. August 1813